Aus der Neurowissenschaft…
Wir haben für Dich gelesen:
Tobias Esch
Die Neurobiologie des Glücks
Wie die Positive Psychologie die Medizin verändert
Prof. Dr. med. Tobias Esch schreibt für die Heilberufe – und damit vielleicht etwas außerhalb des üblichen populär-wissenschaftlichen Stils. Ich fand es teilweise etwas ermüdend zu lesen, aber das liegt wohl an mir… Wer Details zur “Neurobiologie des Glücks”; zu “Motivation und endogener Belohnung” für den Umgang miteinander – und mit sich selbst! – erfahren möchte, sollte sich in die Lektüre vertiefen.
Sonst fange an mit Kapitel 2 (Warum dieses Buch?). Das bringt uns pragmatische Ansätze näher, zB:
Wieviel Geld braucht das Glück?
Im Durchschnitt besteht bis zu einem Jahreseinkommen von 15.000 bis 20.000 US-Dollars ein fast linearer Zusammenhang zwischen Geld und Glücklichsein; aber spätestens ab einem Jahreseinkommen von 75.000 tritt ein Sättigungseffekt ein. (Dann aber macht umsomehr Geld nicht mehr umsomehr glücklich.)
Hättest Du gedacht, dass die glücklichsten Menschen in Costa Rica leben (Platz 1, gefolgt von Dänemark 2 und Island 3, sowie Kanada und Schweiz 4+5). Eine wesentliche Bedingung für eine glückliche Bevölkerung scheint zu sein, dass ein minimaler Wohlstand gegeben sein muss (siehe oben), gekoppelt mit geringer sozialer Ungleichheit. D.h.: die Einkommensunterschiede zwischen oben und unten sind nicht so gravierend sind, die Einkommensschere ist nicht so weit geöffnet, und ein Aufstieg bzw. eine Durchlässigkeit ist grundsätzlich möglich– es besteht eine gefühlte Chancengleichheit.
(Die Bedeutung der Chancengleichheit, welche direkt auch korreliert mit der Möglichkeit zur Selbstbestimmung, kommt in einer (anderswo) präsentierten Untersuchung zum “Burnout” zum Vorschein: In einer Hierarchie hat überraschenderweise die unterste Schicht, die “Befehlsempfänger” mit nur geringen eigenen Gestaltungsmöglichkeiten, die häufigste Inzidenz von Burnout!)
Die Glücksforschung könnte also recht haben. Geld und Reichtum per se machen nicht glücklich, wohl aber das soziale Zusammenhalten, das Helfen, Altruismus und Mitgefühl – oder eben Liebe.
So sagte einer der Befragten:
“Glück ist ein inneres Lächeln, eine Intuition, eine innere Stimme, die mich in die Freiheit leitet, dahin, etwas Wichtiges und Richtiges zu tun.”
Wenn wir alle solch eine innere Stimme haben, warum sind wir schwerhörig geworden? Lese weiter auf Seite 26 unter Gewöhnungseffekt und Konkurrenzneid…
Warum sollten wir eigentlich glücklich sein?
Weil es gut so ist. Nicht nur ist Glück schön und angenehm, es steuert auch unser Verhalten und lässt uns normalerweise Dinge tun oder anstreben, die gut für uns sind, die unser Überleben und unsere Gesundheit absichern oder befördern. So leben glückliche Menschen 5-10 Jahre länger, sie werden weniger krank, erkranken weniger schwer und/oder werden schneller wieder gesund.
Zum Abschluss, vielleicht etwas abrupt, aber wir wollen ja nicht das ganze Buch nacherzählen, ein Zitat. Der Vater des Autors, Gerd Esch, Internist und “Arzt von Herzen”, hatte zum anfänglichen Leidwesen seines heranwachsenden Sohne auf die Frage nach seinem Befinden immer geantwortet: “Ich bin zufrieden”. Erst in den langen Jahren der Krankheit und des Siechtums, selbst als seine Mobilität kaum mehr gegeben war, gab er glaubhaft die Antwort: “Ich bin zufrieden”. Das war keine Plattitüde, sondern eine zutiefst empfundene wahrhafte Emotion, eine Lebenshaltung. Selbst am Vorabend seines Todes äußerte er sich dankbar, gleichmütig und zufrieden über das Erlebte, über die Erinnerungen und das was noch war: “Was kann ich mehr vom, Leben wollen? Es ist gut, wie es ist.”
Gerd Eschs Lebenskunst bestand möglicherweise darin, im gleichen Tempo, im gleichen Rhythmus wie ihm etwas nicht mehr möglich war, es nicht mehr ging, weniger wurde, die eigenen Ansprüche genau daran anzupassen und eben auf das einzustellen, was noch ging. Mit diesem Gefühl der Akzeptanz war er doch immer präsent im Hier und Jetzt.
Der amerikanische Wissenschafter und “Achtsamkeitstherapeut” Jon Kabat-Zinn sagt zu dieser Haltung:
“Solange Du noch atmen kannst, ist an Dir mehr gesund, als an Dir krank ist.”
ESCH, Tobias
Die Neurobiologie des Glücks
Wie die Positive Psychologie die Medizin verändert
2. Auflage 2014, Georg Thieme Verlag, Stuttgart
ISBN 978-3-13-166112-8