“Wenn man scheitert oder in einem Projekt nicht vorankommt, ist das ein ganz normaler Zyklus im unternehmerischen Leben.” – Liss Heller
30+ Jahre Unternehmerdasein hinterlässt seine Spuren, Höhen, sowie auch Tiefen. In Teil zwei spricht Unternehmerin Liss Heller über Scheitern und Herausforderungen, Aufbau eines Netzwerkes, Innovation & Technologie und mehr.
Wie gehst Du mit Scheitern um? Kannst Du ein Beispiel teilen?
Wenn ich zurückblicke, ich bin öfters gescheitert. Wichtig ist aber, auch wenn man scheitert, sollte man nicht das Scheitern im Fokus haben, sondern auch das Gelingen: Wo ist es gut gelungen und wo hat es nicht gepasst.
Wenn man scheitert oder in einem Projekt nicht vorankommt, ist das ein ganz normaler Zyklus im unternehmerischen Leben. Das Wesentliche ist jedoch: „Hinfallen, Aufstehen, Krone richten, weiter gehen“. Wichtig ist, nicht an dieser Niederlage zu verzweifeln, sondern sich zu überlegen: „Was lerne ich daraus“.
Interessant ist, dass die meisten Niederlagen von Enttäuschungen stammen. Enttäuschung heißt, man ist einer Täuschung unterlegen. Man hat in einen Menschen etwas hineininterpretiert und das hat sich nicht so vollkommen entfaltet, wie man sich das vorgestellt hat.
Ein Beispiel aus meiner eigenen Unternehmerreise: Ich hatte einen Geschäftspartner, dem ich vertraut habe und von dem ich nie geglaubt habe, dass er mich hintergeht. Leider hat er das doch getan. Es war verständlich, er hat mit unserem beiderseitigen Engagement nicht genug Geld verdient. Und hat sich dann überlegt, ich mach das alleine, aber hinter dem Rücken der Liss Heller.
Das sind Enttäuschungen, die man hat. Man glaubt, der Mensch sei „so und so“ und dann stellt sich leider heraus, dass dieser doch andere Aspekte in den Vordergrund stellt.
Menschen entwickeln sich auseinander. Das ist genauso in der Ehe. Wichtig ist, es rechtzeitig zu erkennen und zu reflektieren. Wenn man erkennt, dass es auseinander „driftet“, kann man noch die Notbremse ziehen; bei Geschäftspartnern wie auch in Beziehungen. Die meisten Leute sind sich zu gut, sich rechtzeitig mit Menschen zusammen zu setzen, um zu analysieren und zu reflektieren, damit es besser wird. „Wo gibt es Probleme – wo gibt es Dinge, wo Du sagst, so geht das nicht mehr?“
Wie wichtig ist für Dich die Integration von Technologie in Dein Unternehmen?
Die technologische Wende, die wir haben, auch durch Corona bedingt, ist schon sehr massiv. Ich habe meist schon sehr frühzeitig auf diesen gewissen technologischen Wellen „getanzt“.
Oder mir Dinge angeeignet, die vielleicht ein Kollege noch als weit in der Ferne abgestuft hat. Wenn man Pionier ist, und ich habe mich doch in vielen Jahren meiner Tätigkeit als Pionierin gesehen, dann passiert es einem manchmal, dass man sich auf einen Trend setzt, der à la longue nicht hält.
Auf der anderen Seite ist jede technologische oder Digitalisierungs-Neuerung eine Chance sein Business neu zu überdenken. ChatGPT ist heute der „Renner“, ich selbst bin begeistert davon, aber ich sehe das Ganze auch mit ein wenig Distanz, denn wir wissen ja nicht, ob es der Weisheit letzter Schluss ist. Mein EDV-Spezialist und geschätzter Geschäftspartner Viktor hat mir gestern eine ganz wichtige Erkenntnis mitgeteilt: Durch diese modernen Digitalisierungstools reiht man ein Tool neben das andere und dadurch entstehen eine ganze Reihe an Insellösungen. Aber hinterfrage es: Ist das jetzt das Gelbe vom Ei?
Es ist wichtig, bei der Digitalisierung und den neuen Trends immer dabei zu sein, aber trotzdem immer wieder zu berücksichtigen: Ist das der Weisheit letzter Schluss?
Es bürgert sich in einem Unternehmen eine gewisse Routine, Dynamik ein, z.B. ich möchte diese oder jene Auswertungsliste von meinem Team haben. Doch irgendwann stellt man fest, dass diese Liste nicht gebraucht wird oder von demjenigen, dem sie gewidmet ist, nicht betrachtet wird. Das passiert in sehr vielen Unternehmen, großen sowie kleinen. Man sitzt sozusagen am „Datenmüll“. Oder man automatisiert und standardisiert bestimmte Dinge und nach einer Zeit fragt man sich, ob das wirklich sinnvoll ist. Daher immer wieder Reflexion! Brauche ich dieses oder jenes oder sollte es in einer anderen Form passieren?
Wie wichtig ist es aus Deiner Sicht, ein starkes Netzwerk aufzubauen? Welche Tipps hast Du?
Sehr essentiell, sofern man nicht in einem eigenen „Tuns-Kreis“ arbeitet. Wissenschaftler z.B. arbeiten jetzt sehr stark internationalisiert.
In dem Moment, in dem man in die Wirtschaft eingebettet wird, brauchst Du das Netzwerk bzw. die Community. Der Vorteil einer Community ist, dass man immer wieder auf zusätzliche Potentiale zugreifen kann.
Was sollte man beim Aufbau eines Netzwerks berücksichtigen?
Ein Netzwerk baut sich nicht von selbst auf, sondern ein Netzwerk muss auch gepflegt werden. Nimmt man sich nicht die Zeit, Menschen zu kontaktieren oder wenigstens zu fragen: Wie geht’s Dir?, dann wird das Netzwerk verwässert.
Es kommt nicht darauf an, ob man jetzt 10.000 Leute bei LinkedIn hat oder nur 350. Bearbeitet und pflegt man die 350 Kontakte regelmäßig, baut man eine soziale Beziehung auf, dann ist es ein wertvolleres Netzwerk als eins mit 10.000 angeblichen Followern. Ob ein Follower einem wirklich zur Seite steht wenn man ihn braucht, das wage ich zu bezweifeln.
Wichtig ist zu definieren: Wer ist meine Zielgruppe?
Wer sind denn überhaupt die tragenden Säulen in diesem Netzwerk? Sind das Privatpersonen, stylische Personen, verheiratete Personen, junge Menschen, die gerne auf Reisen gehen? Differenziere, wer die Menschen sind, die Du ansprechen willst.
Und nicht nur jeden Kontakt als wichtigen Kontakt einzuspeichern.
Ist das ein Kontakt, der mir weiterhelfen kann oder nicht. Wenn man das fragt, sollte man sich die Frage stellen, ist der Kontakt einer, dem ich weiterhelfen kann? Hier kommt das Prinzip von „Geben“ und „Nehmen“ zu tragen. Wenn man „gibt“, kommt es auch von der anderen Seite zurück.
Nochmal zusammengefasst:
- Analysiere, wen brauchst Du? Wenn Du in dieser Community Menschen hast, wo du auf den ersten Blick denkst: „Was weiß ich, ob der jemals bei mir kaufen will“, dann überlege Dir auch: „Vielleicht hat er einen Onkel oder Tante, Kinder, die vielleicht auch für mich interessant sind.“
- Vielleicht braucht jemand Deine Hilfe. Das soziale Netzwerken geht über dieses nur „selbst egoistisch sich die Kontakte reinzuholen“ weit hinaus. Behalte Dir immer dabei im Hinterkopf: „Wie kann ich einen anderen Menschen auch helfen?“, das macht sich immer bezahlt.
Wenn Du auf Deine Unternehmerjahre zurückblickst, gibt es etwas, das Du anders machen würdest?
Nein, eigentlich nicht. Jeder einzelne Schritt in meiner Laufbahn war mit Lernen verbunden. Natürlich gab es Situationen, wo ich mir gedacht habe: „Na das hast Du jetzt wieder gebraucht, Liss“. Es hat mich jedoch immer ein Stückchen in meinem Mensch- und Unternehmer-Sein weitergebracht.
Es ist ein Teil des Lernprozesses. Es gibt Situationen, da denkt man sich: „Naja wer weiß, ob ich das überhaupt brauche.“ Dann weißt du vielleicht erst nach drei Jahren, dass es wichtig war.
Außerdem kommt das erst im „reiferen“ Alter, dass man sich auf das „System“ verlässt. Das System hilft einem, da darf man sich zurücklehnen und schauen was kommt. Das hat man nicht im Alter von 25 oder 30 Jahren – da will man durch die Wand. Als reiferer Mensch lehne ich mich zurück, es ist ja schon so viel in meinem Leben passiert und es wird auch dieses Mal alles gut gehen. Da vertraue ich dem Leben.