Was ist ein Reihengeschäft?

Das Wirtschaftsleben ist heutzutage durch internationale Geschäftsbeziehungen geprägt. Immer häufiger erfolgen Lieferungen über die Grenze, sowohl im Europäischen Raum als auch in und aus Drittländern, oft sind mehrere Unternehmer an einem Warengeschäft beteiligt. Da erscheint es doch einfacher, dass ein Unternehmer die Warenlieferung direkt von seinem Lieferanten an den Endkunden durchführen lässt. Auch wenn dies logistisch zur Vereinfachung führt, ist die umsatzsteuerliche Behandlung mitunter sehr kompliziert. Daher wollen wir das einmal näher beleuchten:

Definition eines Reihengeschäftes

Schließen mehrere Unternehmer Umsatzgeschäfte über denselben Gegenstand ab und erfolgt  die Warenbewegung nur einmal – und zwar unmittelbar vom ersten Unternehmer zum letzten Abnehmer, handelt es sich umsatzsteuertechnisch um ein Reihengeschäft. Die Rechnungslegung erfolgt dabei jeweils von einem Unternehmer zum nächsten – es gibt also eine Warenlieferung, aber mehrere Rechnungen.

Beim Reihengeschäft liegt nur für eine Warenlieferung eine Beförderungs- oder Versendungslieferung vor, die so genannte “bewegte Lieferung”. Alle anderen sind “ruhende Lieferungen”. Bei Bestimmung der „bewegten Lieferung“ ist maßgeblich, welcher Unternehmer einen Spediteur oder Frachtführer beauftragt, wer also die Ware „bewegt“.

Wozu braucht man die „bewegte Lieferung“?

Wesentlich für die Frage der Umsatzsteuerpflicht ist der Lieferort. Beim Reihengeschäft kann dies nur entweder am Abgangsort (erster Lieferant) sein – nämlich wenn die „bewegte Lieferung“ erst später erfolgt – oder beim Ankunftsort (Endkunde) – so die bewegte Lieferung bereits stattgefunden hat.

Die entscheidende Frage ist, bis wann am Abgangsort bzw. ab wann am Ankunftsort besteuert wird – das richtet sich eben danach, wer die Beförderung oder Versendung vornimmt.

Übersicht Steuerpflicht Beispiel: Der Kunde Ö aus Österreich bestellt Waren bei einem Unternehmer U aus der Ukraine. Nachdem auch U die Waren nicht lagernd hat, bestellt er seinerseits die Waren bei dem russischen Unternehmer R. Die Versendung erfolgt direkt von R an Ö.

Russland = R

Rechnung
Ukraine = U Rechnung

Österreich = Ö

beauftragt
Beförderung Versendung

bewegte Lieferung ruhende Lieferung
Lieferort = Steuerpflicht Russland Österreich
bewegte Lieferung

beauftragt Beförderung
Versendung

ruhende Lieferung
Lieferort = Steuerpflicht Russland Österreich
bewegte Lieferung ruhende Lieferung beauftragt Beförderung
Versendung
Lieferort = Steuerpflicht Russland Russland

Wie der Übersicht zu entnehmen ist, sind die jeweiligen Umsätze des Warengeschäftes nach den Steuergesetzen in Russland oder nach den österreichischen Bestimmungen zu besteuern.

Variante 1: Versendung wird durch R beauftragt – Verzollung erfolgt durch Ö

Russland R
versendet
Rechnung
Ukraine
U
Rechnung
Österreich
Ö
verzollt
Lieferort liegt in Russland Österreich
daher steuerbar und steuerpflichtig Russland Österreich
Lieferung nach

3 (8) UStG “bewegte” Lieferung

3 (7) UStG “ruhende” Lieferung

Rechnung russischem Recht österreichische Umsatzsteuer

Wie sind nun die einzelnen Umsätze zwischen den Unternehmern umsatzsteuerlich zu behandeln?

R hat seine Rechnung an U nach russischem Recht zu fakturieren.

U erbringt eine Lieferung in Österreich und hat die Rechnung an Ö grundsätzlich mit österreichischer Umsatzsteuer auszustellen (siehe dazu Vereinfachungsregel unten!) In diesem Fall ist eine Steuernummer beim in Österreich dafür zuständigen Finanzamt Graz-Stadt zu lösen. Zudem ist dieser Unternehmer berechtigt, die Einfuhrumsatzsteuer abzuziehen.

Ö erhält – ohne Vereinfachungsregel – eine Rechnung mit österreichischer Umsatzsteuer und kann sich diese als Vorsteuer abziehen. Gemäß den Bestimmungen des § 27 (4) UStG haftet der österreichische Unternehmer für die Abfuhr der Umsatzsteuer von U. Die Umsatzsteuer ist daher einzubehalten, d.h. es ist nur der Nettobetrag an U zu zahlen und die Umsatzsteuer unter Angabe der Steuernummer von U an das Finanzamt Graz Stadt abzuführen.

Allerdings gibt es noch einen weiteren Aspekt, der nicht außer Acht gelassen werden darf und einer näheren Betrachtung unterzogen werden muss: Betrafen die bisherigen Ausführungen die Besteuerung der einzelnen Umsätze des Warengeschäftes, wird im Folgenden auf die Einfuhrumsatzsteuer eingegangen, die eingehoben wird, wenn Waren nach Österreich eingeführt werden.

Wie verhält es sich mit der Einfuhrumsatzsteuer?

Hier muss unterschieden werden zwischen

  • dem Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer – das ist der Unternehmer, der die Einfuhrumsatzsteuer zu bezahlen hat und
  • dem Unternehmer, für dessen Unternehmen die Ware aus dem Drittland nach Österreich eingeführt wird. Nur dieser Unternehmer hat die Berechtigung, die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen.  Das Problem dabei ist, dass dieser Unternehmer nicht immer in Österreich umsatzsteuerlich erfasst ist.

Ein wesentlicher Aspekt ist hier, welcher Unternehmer die Verzollung vornimmt.

In  unserem Beispiel ist Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer Ö. Nachdem die Waren für U importiert wurden, hat dieser Unternehmer die Berechtigung, die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen.

Vereinfachungsregel

Hier kann vereinfachend die Verordnung 584/2003 zur Anwendung gelangen. Dafür müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  1. Der erste Abnehmer in der Reihe hat im Inland weder einen Wohnsitz (Sitz) noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Betriebsstätte und ist im Inland nicht zur Umsatzsteuer erfasst.(Hier Unternehmer R)
  2. Der letzte Abnehmer in der Reihe wäre hinsichtlich einer für diese Lieferung in Rechnung gestellten Umsatzsteuer gemäß § 12 UStG 1994 zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt. (Hier Unternehmer Ö)
  3. Über diese Lieferung wird keine Rechnung ausgestellt, in der die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen ist. (Hier Rechnung U an Ö)

Das bedeutet, dass der Umsatz von U an Ö zwar weiterhin in Österreich steuerbar ist, aber steuerfrei gestellt wird. U benötigt hier keine steuerliche Registrierung in Österreich. Die Berechtigung, die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen, geht an Ö – den Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer – über. Dieser kann problemlos die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer rückfordern.

Variante 2:   Versendung wird durch R beauftragt – Verzollung erfolgt durch R

Russland R versendet und verzollt

Rechnung
Ukraine
U
Rechnung
Österreich
Ö
Lieferort verschiebt sich nach Österreich Österreich
daher steuerbar und steuerpflichtig Österreich Österreich
Lieferung nach 3 (8) UStG “bewegte” Lieferung 3 (7) UStG “ruhende” Lieferung
Rechnung

österreichische USt

österreichische USt

Wie sind nun die einzelnen Umsätze zwischen den Unternehmern umsatzsteuerlich zu behandeln?

Nimmt R die Verzollung vor, verschiebt sich gemäß österreichischem Umsatzsteuergesetz die Steuerschuld nach Österreich. Das bedeutet, dass R eine Lieferung in Österreich erbringt und in seiner Rechnung an U die österreichische Umsatzsteuer verrechnen muss. Er hat beim dafür in Österreich zuständigen Finanzamt Graz-Stadt eine Steuernummer zu lösen.

Auch U erbringt eine Lieferung in Österreich und hat die Rechnung an Ö mit österreichischer Umsatzsteuer auszustellen. Hier ist ebenfalls eine Steuernummer beim dafür zuständigen Finanzamt Graz-Stadt zu lösen. Im Gegenzug kann die an ihn verrechnete Umsatzsteuer als Vorsteuer abgezogen werden.

Zudem haftet U aufgrund der Haftungsbestimmungen des § 27 (4) UStG für die Abfuhr der österreichischen Umsatzsteuer des R. Er hat die Umsatzsteuer einzubehalten (also nur den Nettobetrag an R zu bezahlen) und im Namen und für Rechnung von R (= Angabe der Steuernummer von R) an das Finanzamt Graz-Stadt abzuführen.

Die Haftungsbestimmung des § 27 (4) UStG trifft ebenso Ö. Die Umsatzsteuer ist auch hier einzubehalten und unter Angabe der Steuernummer von U an das Finanzamt Graz-Stadt abzuführen – im Gegenzug kann natürlich die Vorsteuer in Abzug gebracht werden.

Wie verhält es sich mit der Einfuhrumsatzsteuer?

Nachdem R vom Drittland einführt, ist er sowohl Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer, als auch berechtigt, diese als Vorsteuer abzuziehen – diesbezüglich ergibt sich hier also ein Nullsummenspiel.

 

 

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