Aus der Neurowissenschaft…
Wir haben für Dich gelesen:
Dr. Chris Niebauer
Kein Ich, kein Problem
Was Buddha schon wusste und die Neuropsychologie heute bestätigt
Serge Marquis
Ich muss nicht alles glauben, was ich denke
Das Grübeln beenden, gelassener leben
WARUM?
Warum dieses Mal zwei Bücher auf einmal?
Und warum besprechen wir nicht jedes für sich?
Ganz einfach: Während Prof. Dr Chris Niebauer die ganze Sache recht theoretisch angeht – und das ist gut so! –, kommt der kanadische Arzt Serge Marquis von der pragmatisch-praktischen Seite – und das macht vieles verständlicher.
Beide Autoren haben ein Auge auf die Weisheiten des Buddhismus. Und wenn Du jetzt sagst: „Mit Religion hab ich nichts auf dem Hut“, dann lass mich das korrigieren:
Der historische Buddha Sakyamuni (Siddharta Gautama) war kein Religionsstifter (eine Religion haben erst die Menschen daraus gemacht), sondern ein Weisheitslehrer oder – wie wir das nennen – ein Philosoph, ein „Freund der Weisheit“ (φιλία philía Liebe, Σοφία sophía Weisheit). Im Wesentlichen lehrt Buddha das Erkennen des Ich (Selbst, Ego) als Illusion, die Leid verursacht – und die Aufgabe des Ich als Ende des Leidens).
Das „Ich“ bildet in unserer westlichen Kultur das Zentrum unserer Selbstdefinition und navigiert uns durch unser Erleben der Welt. Doch was, wenn dieser „Pilot“ nichts wäre als eine Erfindung unserer linken Gehirnhälfte? Unser sogenanntes „Ich“ ist überzeugt, unseren physischen Körper zu beherrschen, lenkt unsere Gedanken und Gefühle und betrachtet seine Interpretation der Wirklichkeit als Wahrheit.
Der Neuropsychologe Dr. Niebauer erklärt die Aufgabenteilung unserer Gehirnhälften: Die linke Hälfte, die „Sprachbegabte“, welche vor allem das Detail liebt, erzählt bzw erfindet ununterbrochen Geschichten, die wahr sein können – oder eben auch nicht, es gaukelt uns etwas vor und erzeugt unnötiges seelisches Leid, das keine reale Grundlage hat, anstatt uns die Wahrheit erkennen zu lassen. Während die rechte „Gefühlsbetonte“ mit ganzheitlicher Sicht sich sprachlich nicht artikulieren kann, eher in Bildern – und Emotionen – denkt, und von uns abwertend ins „Unbewusste“ verortet wird.
Sehr überzeugend, wenn man das einmal verdaut hat, aber es braucht Hineinversenkung in Ruhe.
Und da hilft der kanadische Arzt Dr. Maquis aus. Er hat den „Grüblerich“ erfunden, den Hamster, der in seinem Hamsterrad im Hirn Dauer-läuft. Viele praktische Beispiele, Anekdoten eher, machen die Lektüre unterhaltsam und leicht verständlich. Bis wir draufkommen, dass hier „mit anderen Mitteln“ die gleiche Geschichte erzählt wird. Sehr spannend das Ganze, und hoch interessant.
Aber noch viel besser: Wenn Du beide Bücher „verdaut“ hast, das heißt nicht nur gelesen, sondern auch verinnerlicht, besteht die „Gefahr“ (dh die Chance), dass sich Dein Leben ändert. Wahrscheinlich nicht von Grund auf und von heut‘ auf morgen, sondern allmählich in kleineren Schritten, zB weg vom „Warum passiert das schon wieder MIR?“ hin zu einem viel weniger leidvollen „Warum – besser: WOZU – passiert mir das?“ Dann fragen wir nach dem Sinn dahinter, statt nach einer Story – und das, bitte glaub mir, kann sehr ergiebig sein.
Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte…
Mein Tipp: Überfliege zuerst das Buch von Niebauer, und versuche garnicht erst, es gründlich zu lesen; dann nimmst Du den Marquis zur Hand, das liest sich sehr flüssig, und die beiden ergänzen einander; dann liest Du nochmals den Niebauer; das geht auf einmal schnell und Dir wird Vieles klar und einfacher verständlich.
In anderen Religionen steht der Glaube an erster Stelle.
Im Buddhismus ist dagegen der Glaube eine Grundlage und die Meditation ein Instrument, um die Weisheit zu erlangen. Voraussetzung dafür: Der Mensch muss den Grund des Leidens in sich selbst finden und sich entsprechend wandeln. Im Vordergrund stehen dabei Lehre und Praxis.
Zur Lehre gehören die vier edlen Weisheiten:
1. Das Leben ist vom Leiden geprägt.
2. Dieses Leiden wird durch Gier, Hass und Unwissenheit verursacht.
3. Zukünftiges Glück entsteht durch die Vermeidung dieser Ursachen.
4. Die Vermeidung von Leid und das Erlangen von Glück erfolgen über die Praxis, nämlich die drei Bereiche des Achtfachen Pfades: Weisheit, Ethik und Sammlung
Nach buddhistischer Anschauung klammern sich die Menschen an die Vorstellung eines unabhängigen, eigenständigen Selbst und streben nach der Befriedigung der Bedürfnisse dieses abgetrennten Selbst. Dadurch entsteht Leiden. Der Edle Achtfache Pfad führt zum Ende des Leidens.
Und allgemein für die Lebensführung lehrt er das Prinzip des „Golden Middle Path“: Auf die Vermeidung von zwei Extremen im praktischen Leben, nämlich die Hingabe an sinnliche Vergnügungen einerseits und strenge Askese andererseits.
Buchhinweis:
Dalai Lama: Die Vier Edlen Wahrheiten. Die Grundlagen buddhistischer Praxis. Fischer TB.
NIEBAUER, Chris
Kein Ich, kein Problem
Was Buddha schon wusste und die Neuropsychologie heute bestätigt
2. Auflage 2021, VAK Verlags GmbH, Kirchzarten bei Freiburg
ISBN 978-3-186731-240-0
MARQUIS, Serge
Ich muss nicht alles glauben, was ich denke
Das Grübeln beenden, gelassener leben
2. Auflage, Kösel-Verlag, München 2016
ISBN 978-3-466-34649-3