China – das Reich der Mitte

Ein Land, das in den letzten Jahrzehnten immer attraktiver für Investoren und Unternehmen geworden ist.

Um einen Einblick in den Markt und in die chinesische Mentalität zu bekommen, haben wir Simon Frank, CEO von Frank Enterprise GmbH, zum Interview getroffen.  Simon Frank pendelt zwischen Leipzig und Beijing.  Tätig ist er in der Fort- und Weiterbildung für Chinesische Fach- und Führungskräfte sowie im Markenaufbau und Export Europäischer FMCG Produkte in Asien.

Herr Frank, wenn Sie hören, dass jemand „nach China gehen“ möchte, was wäre Ihr Rat an ihn/sie?

Sofort! Doch welches China ist gemeint? China ist ein sehr großes Land, kulturell nicht homogen und von der Vielfalt eher mit Europa zu vergleichen. Mein Rat wäre, nehmen Sie sich Zeit, Muße und Geduld, Chinesen, die Gesellschaft und die Kultur kennen zu lernen. Einerseits durch Gespräche, andererseits durch die Küche. Denn es gibt drei Dinge, die in China wesentlich sind: Familie, Geld und Essen.

Und ganz wichtig: Engagieren Sie einen guten Dolmetscher, der die Fachterminilogie versteht.

Ist der chinesische Markt für deutsche und österreichische Unternehmen überhaupt etwas? Was für Ansichten über Deutschland und Österreich haben chinesische Unternehmen?

Das typische Bild über Österreich und Deutschland wird beherrscht von Autos, Hochtechnologie, Bier, Wurst, klassischer Musik wie Beethoven & Mozart über Berge bis hin zu der Idee, dass beide Länder wohlhabend, stabil und, im Vergleich zu China, relativ klein sind. Des Weiteren stehen die deutschsprachigen Länder für Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Genauigkeit, ein vorbildliches Sozialsystem, Umweltschutz sowie natürlich Mülltrennung!

Chinesische Unternehmer sind fasziniert von der Präzision und der Genauigkeit der deutschsprachigen Unternehmen. Was immer wieder zu Erstaunen führt, ist die Tatsache, dass manche Arbeitnehmer ihr gesamtes Erwerbserleben bei einem Arbeitgeber verbracht haben. So etwas ist in China undenkbar, wo es doch eher üblich ist, die Arbeitsstelle zu wechseln, sobald es keine Aufstiegschancen und/oder regelmäßige Gehaltserhöhungen gibt.

Gibt es bestimmte Regionen in China, die momentan im Trend liegen und auch zukünftig nachhaltige Investitionen liefern?

Der gesamte Westen Chinas befindet sich noch in der Entwicklung und hat den Vorteil, aus den vorangegangen Entwicklungen zu lernen. Als Beispiel würde ich gerne Chongqing nennen. Diese Metropole hat den gleichen politischen Rang wie Beijing, Tianjin, Shanghai und Shenzhen und bildet mit ihren 35 Millionen Einwohnern einen einzigartigen Knotenpunkt im Westen Chinas. Zudem hat die Stadtverwaltung aus den Fehlern anderer Metropolen gelernt. Sie hat zum Beispiel den Baumbestand sowie Grünflächen bewahrt und nicht alles zugebaut wie es in Beijing oder Shanghai geschehen ist.

Welche Vorurteile über chinesische Unternehmen gibt es, die auf jeden Fall abzubauen sind?

„Im Freundes- und Bekanntenkreis wiederum darf man alles offen zur Sprache bringen.“, Simon Frank über interkulturelles Verhalten

Dass Chinesen alles kopieren und dass sie für minderwertige Qualität stehen. Zum Thema Copycat und dem Diebstahl geistigen Eigentums muss man eingestehen, dass sich die Chinesen inspirieren lassen und dann die bestehenden Technologien verbessern und verfeinern. Damit will ich nicht sagen, dass es keine Fälle von Industriespionage gibt/gab, doch die Zeiten, wo die Chinesen alles fotografiert und kopiert haben, sind vorbei. Als Beispiel würde ich gerne „WeChat“ aufführen. Böse Zungen würden behaupten dass es ein Klon von Facebook und Whatsapp ist, doch WeChat ist bei weitem mehr. Es ist ein digitales Taschenmesser mit klassischen Funktionen wie Chat, Telefonie (Audio und Video), Teilen von Fotos, Links und Artikeln, eignet sich aber auch zum Bezahlen fast aller Rechnungen, egal, ob Restaurant, Gehalt oder Miete, zum Bestellen von Taxis, für Online Shopping oder der Buchung von Dienstleistungen. Ein weiteres Beispiel ist der Mobiltelefonhersteller „Huawei“: Mit einer außergewöhnlichen Firmenkultur und technisch sehr guten Produkten, sind die Mobiltelefone eine gute Alternative zum alles dominierenden IPhone.

Bei der Frage der Qualität von chinesischen Produkten handelt es sich immer eine Preisfrage. Natürlich gibt es sehr preisgünstige Produkte aus China, doch die Chinesen haben dies erkannt und arbeiten mit Hochdruck und Erfolg daran, der Nische der Billigprodukte zu entsteigen. Viele chinesische Unternehmer, welche billige Arbeitskräfte und preiswerte Produkte herstellen und ursprünglich in China produzieren ließen, sind nun entweder in Südostasien oder in Teilen von Afrika (z.B. Schuh- und Textilindustrie in Äthiopien).

Interkulturelles Verhalten: was muss man als Europäer beachten?

Politische Themen sollten nicht bei offiziellen Anlässen besprochen werden. Dies bringt nicht nur Sie und Ihre Gastgeber in Verlegenheit, sondern Sie riskieren auch Ihre Beziehungen zu schädigen und sich Zugänge zu verbauen.
Im Freundes- und Bekanntenkreis wiederum darf man alles offen zur Sprache bringen. Fakt ist, das China eine autokratische Gesellschaft mit einem massiven Wohlstandsgefälle ist. Natürlich gibt es Probleme in China, von Umweltverschmutzung, Lebensmittel(un)sicherheit, Missachtung von Bürger- und Menschenrechten, Korruption bis hin zu gelenkter Justiz.
Auch Themen wie der Status von Hongkong, Taiwan und Tibet geben genug Gesprächsstoff, um nächtelang zu diskutieren. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass China eine 5.000 Jahre Geschichte hat, wenn auch in diesem Zeitraum knapp 3.000 Bürgerkriege wüteten. Zudem hat diese Gesellschaft eine industrielle (R)evolution hinter sich, die seinesgleichen sucht.

Stellen Sie sich zudem darauf ein, dass bei einem Geschäftsessen viel aufgetischt sowie viel getrunken wird und es sehr laut werden kann. Zudem wird Fleisch und Fisch  mit Knochen serviert, die Tischdecke auch schon mal als Serviette benutzt und Schmatzen gehört zur üblichen Geräuschkulisse.

Chinesen, die in Deutschland leben, vermissen dies und bezeichnen Deutsche manchmal als Thermoskannen, außen „kalt“ und innen „warm“.

Ein anderes wichtiges Thema ist die Kommunikation. Chinesen wissen meist ganz genau, was sie wollen. Sie drücken es nur nicht direkt aus. Denken Sie an einen Kreis mit acht Ecken und Sie bekommen ein Bild davon, wie Chinesen verhandeln. Als Europäer darf man bzw. ist es erwünscht, direkt zu sein und auch mal etwas schneller auf den Punkt zu kommen. Und ganz wichtig: Chinesen wollen alles und am besten sofort. Dies ist aber oftmals eher dem geschuldet, dass sie zunächst einmal wissen möchten, was überhaupt angeboten wird und wie es aussehen könnte. Wenn Sie Referenzprodukte oder Projekte haben, welche als generelle Richtlinie gelten können, ist damit beiden Seiten sehr geholfen.

Welche unternehmerischen Trends gibt es in China?

Stellen Sie sich auf einen extremen Wettbewerb ein: Die chinesischen Unternehmer sind „early adaptors“ und nutzen jede Chance, ihr Produkt oder ihre Dienstleistung zu verbessern. Dies hat zum Hintergrund, dass sie mit dem Rücken zur Wand stehen bzw. probieren, der sogenannten Falle der „middle developed economy“, zu entkommen. China entwickelte sich in den 80er Jahren von einer Agrar- hin zu einer Industriegesellschaft, welche sich nun zu Teilen in eine digitale Gesellschaft entwickelt.

Ansonsten beobachte ich eine unglaubliche Neugier und den Willen, sich stetig zu verbessern. Viele chinesische Unternehmer wollen sich aktiv austauschen, Partner in Europa finden und international kooperieren. Sie wissen, dass der heimische Markt alleine nicht ausreicht und sie ihr Glück im Ausland suchen müssen. China kann man nicht ignorieren, aber man kann es integrieren.

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