Entscheidungsfindung in einer Krise – kognitive Verzerrungen führen mitunter ins Abseits

Die Entscheidungsfindung wird in Krisenzeiten am wichtigsten, und dies ist sicherlich eine dieser Zeiten. Aber sie wird auch schwieriger in Zeiten von Stress und am schwierigsten, wenn die zukünftigen Ergebnisse ungewiss sind – was auch die gegenwärtige Periode beschreibt.

Der menschliche Geist ist von Vorurteilen durchsetzt; das ist nichts Neues. Wir leben mit diesen Denkfallen, manchmal nutzen wir sie sogar – aber das ist schon wieder eine andere Geschichte…

Das Gebiet der Verhaltensökonomie, angeführt von den Sozialpsychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky, hat eine Reihe kognitiver Verzerrungen identifiziert, die die Entscheidungsfindung beeinflussen – in der Regel auf negative Weise. Es gibt keine definitive Liste solcher Verzerrungen, aber weit über 100 solche Denkfallen (cognitive biases) kennt die Wissenschaft. Es ist ernüchternd, all die Arten festzustellen, in denen menschliche Gehirne Entscheidungsprozesse verzerren; vielleicht ist es ein Wunder, dass überhaupt eine gute Entscheidung getroffen wird.

In einer Krise sind wir sensibler, vorsichtiger

– aber auch empfänglicher für Einflüsterungen. Und hier gilt es, wachsamer zu sein als üblich.

Ich spreche nicht nur von dem irrationalen Drang, Toilettenpapier zu horten. Sogar nüchterne Wirtschaftsführer, die versuchen, durchdachte Entscheidungen zu treffen, werden oft durch Vorurteile in die Irre geführt, wie US Professor Thomas Davenport kürzlich feststellte: “Verzerrungen bei kognitiven Entscheidungen treten wahrscheinlich in sehr wechselhaften, stark beanspruchten Umgebungen auf und beeinflussen Entscheidungen auf schädliche Weise“, schreibt er und beschreibt die aktuelle Krise auf den Punkt.

Wir alle wissen, dass die Menschen weit davon entfernt sind, ständig rational zu sein. Doch eine Krise rückt unsere mentalen Macken in den Vordergrund. Es gibt wenig, was Du tun kannst, um diese festverdrahteten Hänger völlig auszuschalten, aber Du kannst Dich über sie informieren, damit Du nach Wegen Ausschau haltest, wie Du Dein verzerrtes Denken korrigieren kannst.

Hier sind eine Handvoll Vorurteile, die Davenport in unserer gegenwärtigen Krise für besonders relevant hält, sowie schnelle Tipps, wie man sie vermeiden kann:

STATUS QUO BIAS

Die Verzerrung des Status quo beinhaltet, dass man den aktuellen Stand der Dinge als optimal und alles andere als Verlust betrachtet“, schreibt Davenport. “Der Weg, diese Verzerrung zu überwinden, ist die Frage: Würde ich diese Veranstaltung/diesen Flug/dieses Treffen heute planen, angesichts der heutigen Situation?

CONFIRMATION BIAS

Eine der häufigsten Beeinträchtigungen von Entscheidungen, die Bestätigungs-Verzerrung, veranlasst uns dazu, “nach Informationen zu suchen, die unsere eigenen Ansichten unterstützen, und ihnen mehr Beachtung zu schenken“, erklärt er. “Der Schlüssel zur Vermeidung von Bestätigungsverzerrungen in Bezug auf das Virus liegt in der Suche nach Quellen, die Ihren Vorurteilen widersprechen und die von angesehenen Informationsquellen gut unterstützt werden“.

AVAILABILITY HEURISTIK

Viele Menschen fanden es anfangs “verfügbar”, d.h. leichter zugänglich, sich mit COVID19 auseinanderzusetzen, indem sie über die berühmten Menschen sprachen, die sich in den ersten Wochen in den westlichen Ländern mit dem Virus infiziert haben. “Aber die Verfügbarkeit von Informationen über hochkarätige Erkrankte an dem Virus könnte Licht auf atypische Faktoren der Pandemie werfen und uns dazu bringen, wichtigere Muster bei der Ausbreitung der Krankheit zu übersehen“, warnt Davenport.

FRAMING EFFEKT

Viele aktuelle Debatten über das Virus werden umfassend zusammengefasst als “Rettet die Wirtschaft oder sperrt alles zu“, bemerkt Davenport, aber “binäres entweder/oder Framing ist oft suboptimal. Es verbirgt die Möglichkeit anderer Alternativen, oder die Verfolgung einer Entscheidung an einer Stelle oder in einer bestimmten Situation, und einer anderen woanders. Wenn möglich, solltest Du mehrere verschiedene Framings derselben Entscheidung in Betracht ziehen – idealerweise einige mit nichtbinären Ergebnissen.”

BANDWAGON EFFEKT

Es sind nicht nur die Rocklängen, die mit der Mode steigen und fallen, sondern auch bestimmte Einstellungen zur Situation. Versuche so gut es geht, nicht auf diese Trends aufzuspringen. “Es liegt in der Natur dieser themenbezogenen Dialoge, dass sie oft schnell wachsen und voller Ungenauigkeiten sind, bis klareres Denken sie zum Erliegen bringt“, warnt Davenport.

Dies sind nur eine Handvoll der vielen Biases, auf die Davenport eingeht. Wenn Dich also seine Ausführungen interessieren, lies  doch den vollständigen Artikel unter https://sloanreview.mit.edu/article/how-to-make-better-decisions-about-coronavirus/.

SUNK COST

Lass mich noch einen “Warnhinweis” beitragen, die sogenannten Versunkene Kosten. Das sind in der Finanzwirtschaft solche Kosten, die bereits entstanden sind und nicht rückgängig gemacht werden können. Darin sind sowohl Kosten enthalten, die bereits zu Auszahlungen geführt haben, als auch solche zukünftigen Kosten, die unwiderruflich anfallen werden. Die Falle liegt darin, dass man versucht, das bereits ausgegebene Geld zurückzuholen, egal zu welchen Kosten und unabhängig davon, ob diese Investition jetzt noch sinnvoll ist: “Gespart muss werden, koste es was es wolle…

Über den Autor: 

Gerd Kellermann ist überzeugter Universalist mit Jahrzehnten internationaler Erfahrung in der Exportwirtschaft und in Developmentprojekten. Er kombiniert seine abgeschlossenen Studien der Betriebswirtschaft und der Kognitiven Neurowissenschaft. Aus Weiterbildung und Praxis in alternativen Therapien und 30 Jahren praktiziertem Yoga kennt er deren Auswirkungen auf Körper, Geist und Seele.

 

 

Auch hier noch ein Literaturhinweis, der Dich interessieren könnte:

Gerd Kellermann & Liss Heller (2019): DENKFALLEN NUTZEN

Heuristik & kognitive Biases in der Wirtschaft

Risiken und Marketingoptionen für Unternehmer*innen

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