„Wo beginnst Du etwas neu aufzubauen, wenn du alles verloren hast?“ – Gründerin der Shades Tour Perrine Schober
„Lukas“ (Name wurde geändert) war erfolgreicher Unternehmer, Familienvater und Ehemann. Durch einen gesundheitlichen Schicksalsschlag, familiäre Probleme schlitterte er mehr und mehr in ein tiefes Loch. Ein Problem führte zum Nächsten. Er verlor sein zu Hause, seine Familie und lebte drei Jahre als Obdachloser auf Wien‘s Straßen. Auch seine „Freunde, Geschäftspartner“ hatten ihm den Rücken zugekehrt.
Drei Jahre der Dunkelheit und Einsamkeit können erschreckend lange sein.
Wie schnell das gehen kann.
Unser Team war Teil dieser bewegenden „Shades Tour“ und blickte hinter die Schattenseiten der Wiener Obdachlosigkeit und Armut. Die Führung wird von betroffenen Personen selbst gehalten. „Lukas“ erzählte uns so offen, ehrlich und verletzlich seine Geschichte und führte uns zu Schauplätzen, die Armut und Obdachlosigkeit widerspiegeln. (siehe Foto Parkbank)
Diese Tour war für uns keine normale „Wien-Tour“, es war eine Tour über das Leben. Da uns selbst dieses Thema sehr nahe ging, möchten wir Dir darüber berichten.
Ein Lichtblick für einen Neuanfang?
Lukas hatte es aus der Obdachlosigkeit geschafft. Seit ein paar Monaten bezieht auch er ein warmes Bett und ist in einer Gemeindewohnung in Wien untergebracht. Bei Shades Tours hat er Anschluss gefunden und verdient damit einen Teil seines Lebensunterhalts. Die Ursachen von Obdachlosigkeit und sind vielfältig:
- Krankheit
- Familiäre Probleme
- Psychische Probleme, Drogen, Alkohol
- Beziehungsprobleme, Trennung
- Arbeitslosigkeit
- Altersarmut
- …
Ist man einmal in dieser Abwärtsspirale gefangen, kommt man nicht mehr so leicht raus. Es kann jeden treffen. Ungefähr 80% der Obdachlosen sind Männer, jeder Altersklasse. Frauen finden eher bei Bekannten Unterschlupf, als dass sie auf der Straße übernachten. Erschreckend ist auch, dass die Obdachlosen immer jünger werden.
Die Welt dort draußen ist ein gefährlicher Ort. Gewalt steht an der Tagesordnung, innerhalb, sowie außerhalb der Obdachlosen. Auch ein Grund, warum Obdachlose eher an öffentlichen Plätzen schlafen als in verwinkelten, einsamen Ecken. Obdachlose werden an öffentlichen Plätzen weniger angegriffen.
Wo bekommen Obdachlose in Wien Unterstützung?
Es gibt überraschend viele Hilfsorganisationen – Wien ist sehr sozial engagiert und fortschrittlich auf diesem Gebiet. Um ein paar zu nennen:
- Gruft: Die Gruft ist eine Caritas-Einrichtung. Obdachlose erhalten warmes Essen
- Neunerhaus: ermöglicht Obdachlosen und ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Leben mit medizinischer Versorgung, Wohnen und Beratung. „Housing First“
- P7: der Caritas ist Erstanlaufstelle für akut wohnungslose Menschen
- Internetcafe für Wohnungslose
- Chancenhäuser: Die Chancenhäuser der Wiener Wohnungslosenhilfe gewähren obdachlosen Menschen einen sofortigen Zugang zu Notunterbringung, Tagesaufenthalt und sozialarbeiterischer Betreuung. Der Aufenthalt ist auf drei Monate begrenzt, wobei bereits ab dem ersten Tag intensiv an langfristigen Wohnperspektiven gearbeitet wird.
- „Suppenbus“: Täglich fährt der Bus verschiedene Stationen in ganz Wien an und bringt warme Suppe und Brot
- Medizinbus: Der “Louise-Bus” fährt verschiedene Stationen in ganz Wien an und betreut die Patienten vor Ort
Warum zieht es Obdachlose dennoch manchmal lieber auf die Straße, statt zu Hilfsorganisationen?
Ein paar Gründe wurden uns bei der Tour genannt:
- Das Haustier darf nicht mit. Zumindest war das früher so. Heute gibt es die Möglichkeit seinen treuen Begleiter bei bestimmten Tierärzten kostenlos impfen zu lassen.
- Der/die Betroffene weiß nichts von Hilfsorganisationen
- Auch Gewalt steht in den Häusern an der Tagesordnung. Sobald man in einen Konflikt verwickelt ist, sei es auch nur, wenn man sich verteidigt, fliegt man raus.
- Es kann vorkommen, dass die Unterkünfte bereits voll sind.
Wie reagiere ich, wenn ich einen Obdachlosen sehe – wie kann ich unterstützen?
Zum einen kannst Du ihn auf die oben genannten Organisationen hinweisen. Dort kann er sich Unterstützung holen. Zum anderen kannst Du auch mit Essensgutscheinen weiterhelfen.
Sobald Du im Winter einen Obdachlosen in der Kälte liegen siehst, informiere das Winter-Kältetelefon unter 01 480 45 53. Bitte bedenke, dass Du die Person nicht anfasst, da die Gefahr besteht, dass sie sich erschreckt und sich wehren könnte.
Für Armut gibt es viele Gründe. Häufig zieht es Menschen aus Nachbarländern zu uns, da dort „Landstreicherei“ verboten ist und bestraft wird. Auch gibt es Menschen, die in ihrer Not gezwungen werden zu „betteln“.
Wie erkenne ich einen „Augustin“ Verkäufer? Ein Augustin Verkäufer hat immer einen Ausweis bei sich.
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Shades Tour: Ein bewegender Stadtspaziergang rund um das Thema Armut & Obdachlosigkeit https://shades-tours.com/